Riesterrente – attraktiv trotz niedriger Zinsen?
Die Riester-Rente bleibt umstritten, angesichts niedriger Zinsen heute noch mehr als bei ihrer Einführung 2001. Der Gesetzgeber wollte private Altersvorsorge fördern und damit Altersarmut entgegenwirken. Deshalb gibt es für Riester-Sparer eine Zulage oder Steuervorteile. Das Finanzamt prüft mit der Steuererklärung, welche Förderung vorteilhafter ist. Klingt gut – oder ist die Riester-Rente doch nur gut gemeint?
Riester – ein Produkt der zweiten Schicht
Das Alterseinkünftegesetz unterscheidet zwischen drei Schichten von Produkten, aus denen Einkünfte nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben erzielt werden können.
- Zur ersten Schicht gehört die gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgungswerke sowie besonders bei Selbstständigen die Basisrente (Rürup-Rente). Beiträge zur ersten Schicht sind innerhalb großzügiger Grenzen steuerfrei, dafür ist die Verwendung des Geldes aber sehr eng begrenzt – Kapitalabfindungen gibt es beispielsweise in aller Regel nicht. Außerdem sieht das Alterseinkünftegesetz eine Besteuerung der Rente vor.
- Die Riester-Rente heißt im Gesetz offiziell Altersvorsorgevertrag. Wie die betriebliche Altersvorsorge gehört sie zur zweiten Schicht. Sie umfasst kapitalgedeckte Vorsorgeprodukte. Kapitaldeckung steht im Gegensatz zum sogenannten Generationenvertrag der gesetzlichen Rente. Beim Riestern spart jeder für sich selbst, der demografische Wandel hat also keinen direkten Einfluss auf die Leistungen. Wie in der ersten Schicht stehen der staatlichen Förderungen Einschränkungen hinsichtlich Verwendung sowie eine nachgelagerte Besteuerung gegenüber.
- Die dritte Schicht umfasst alle anderen privaten Vorsorgeprodukte. Für sie gibt es keine Zuschüsse oder Steuervorteile, dafür aber auch volle Freiheit bei der Verwendung des Geldes. Steuern fallen nur auf Kapitalerträge an.
Sie kennen noch das Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente, betrieblicher Altersvorsorge und privatem Sparen, eventuell ergänzt um die vierte Säule des Immobilieneigentums? Diese Differenzierung gibt es nach wie vor. Die Einteilung in Schichten beleuchtet aber zusätzlich den steuerlichen Aspekt.
Die Bedeutung des Höchstrechnungszinses
Von den rund 16 Millionen in Deutschland abgeschlossenen Riester-Verträgen entfallen rund zwei Drittel auf Rentenversicherungen. Der Beitrag zu einer solchen Versicherung setzt sich aus einem Risikoanteil, einem Kostenanteil und einem Sparanteil zusammen. Der Risikoanteil dient der Finanzierung besonders langer Rentenzahlungen, aus dem Kostenanteil werden die Abschluss- und Verwaltungskosten bezahlt. Den Sparanteil legt der Versicherer am Kapitalmarkt an und garantiert dafür eine Verzinsung. Maximal darf er den sogenannten Höchstrechnungszins ansetzen. Das tun die Versicherer durchweg auch, deshalb wird er auch als Garantiezins bezeichnet.
Wichtig: Der bei Vertragsabschluss vereinbarte Zins bleibt über die gesamte Vertragsdauer bestehen. Wer also jetzt abschließt, ist von einer immer wieder diskutierten Absenkung nicht betroffen. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist die Riester-Rente kein schlechtes Geschäft. Welche Bank würde einem zwanzigjährigen Berufseinsteiger 0,9 % Zinsen für die nächsten sechzig bis siebzig Jahre für eine risikolose Anlage garantieren? Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Nur eine Rentenversicherung leistet Zahlungen garantiert bis zum Lebensende. Banken können und dürfen das nicht. Riester-Sparverträge bei Banken werden mit Erreichen des 85. Lebensjahres intern automatisch auf eine Versicherung übertragen. Diese gewährt Deckung, falls das Kapital durch ein hohes Alter des Sparers aufgezehrt wird.
Und was passiert, wenn ein Versicherer in die Insolvenz geht oder den Bestand verkauft? Für den Insolvenzfall gibt es eine Auffanggesellschaft, die Protektor Lebensversicherungs-AG. Beim Verkauf (Runoff) übernimmt der neue Vertragspartner alle Pflichten des bisherigen Versicherers.
Rendite mit Förderung oder Steuervorteil
„Wenn sich Riestern lohnen soll, muss ich hundert Jahre alt werden!“ Dieses Argument gegen einen Altersvorsorgevertrag ist häufig zu hören und wird auch vom Bund der Versicherten (BdV) aufgegriffen. Entscheidende Größe in dieser Rechnung ist neben garantiertem Kapitalerhalt und Verzinsung der Rentenfaktor. Er gibt an, wie viel Rente für ein Kapital von 10.000 Euro gezahlt wird. Hier gibt es gewaltige Unterschiede, die Spanne liegt etwa zwischen 15 und 29. Hat der BdV recht, wenn er eine Lebenserwartung von 142 Jahren vorrechnet, damit Riestern Rendite abwirft? Wahrscheinlich nicht, denn er rechnet mit dem garantierten Rentenfaktor. Tatsächlich kann der Faktor trotz steigender Lebenserwartung deutlich höher liegen.
Außerdem berücksichtigt die Rechnung nur das garantierte Deckungskapital inklusive der Rechnungszinsen. Tatsächlich erzielen die Versicherer aus den drei Bestandteilen aber Überschüsse, die den Versicherten zugutekommen:
- Bei der Kalkulation der Lebenserwartung gehen die Versicherer vorsichtig vor, rechnen also eher mit einem längeren Leben. Ende die Rentenzahlungen im Schnitt früher als kalkuliert, entsteht ein Gewinn aus dem Risikoanteil. So makaber es klingt: Sollte eine Pandemie wie Covid-19 zu einer erhöhten Sterblichkeit führen, bedeutet das mehr Rente für die Überlebenden.
- Rationalisierung des Geschäftsbetriebs, vor allem durch Digitalisierung und aktuell durch Homeoffice bedeutet erhebliche Kosteneinsparungen für die Versicherungsunternehmen. Deshalb entsteht auch aus dem kalkulierten Kostenanteil ein Überschuss.
- Sind die Zinsen höher als der Rechnungszins, werden die Zinsgewinne dem Deckungskapital gutgeschrieben. Für den Fall weiterhin niedriger Zinsen sind die Versicherer gesetzlich verpflichtet, eine sogenannte Zinszusatzreserve zu bilden.
Gänzlich außen vor bei der Rendite-Rechnung waren bislang die Förderung bzw. Steuererstattung. Knapp vier Millionen Euro lässt sich der Staat das Jahr für Jahr kosten. Wer den Höchstbeitrag von 4 % seines Einkommens, maximal 2.100 Euro im Jahr, einzahlt, bekommt 175 Euro geschenkt. Zusätzlich gibt es für Kinder, für die ein Kindergeldanspruch besteht, 185 Euro (bis Geburtsjahr 2007) bzw. 300 Euro (ab Geburtsjahr 2008). Bei zwei jüngeren Kindern stammt also mehr als ein Drittel des Höchstbeitrags gar nicht aus der eigenen Tasche. Riester ist aber nicht nur für Familien mit Kindern interessant: Ein gutverdienender Single spart mit Spitzensteuersatz, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer sogar die Hälfte des Beitrags an Steuern.
Eine Riester-Rentenversicherung ist trotz eingeschränkter Verwendbarkeit und nachgelagerter Besteuerung ein wichtiger Bestandteil der privaten Altersvorsorge. Bei Überlegungen zur Rendite dürfen Überschussquellen, Förderung und Steuervorteile nicht außer Acht gelassen werden. Außerdem sollte der Vorteil einer lebenslang garantierten Rente, dem eigentlichen Zweck einer Versicherung, gegen hohe Renditechancen abgewogen werden. Tipp: Vergleichen Sie die Angebote der Riester-Renten mit einem automatischen Rechner.